Die Selbstbeteiligung – das meist unterschätzte Sparpotenzial
die Selbstbeteiligung wird von vielen Kunden als Manko im Versicherungsvertrag empfunden, vermutlich weil sie mit übrigen Abzügen des Versicherers im Versicherungsfall gleich gesetzt wird. Diese Negativbelegung wird zudem oft mit der sogenannten Vollkasko-Mentalität von einigen Kunden in Verbindung gebracht – „Wenn ich schon einen Versicherungsvertrag abschließe, dann möchte ich, dass der Schaden zu 100% beglichen wird“. Der Selbstbehalt wird von Verbrauchern also als Komplikation im Versicherungsvertrag und als Schikane im Versicherungsfall wahrgenommen.
Aus Sicht eines Versicherers ist die Selbstbeteiligung ein probates Mittel um Bagatellschäden im Bestand, auch Frequenzschäden genannt, von sich fernzuhalten. Auch wenn es makaber klingt, meist sind es gerade die vielen Kleinschäden, die die Schadenquoten der Versicherer nach oben treiben, und nicht die Großschäden, wie man es vermuten könnte. Der Grund ist – Großereignisse lassen sich einfacher statistisch erfassen und folglich präziser versicherungstechnisch kalkulieren. Zudem können die Erstversicherer ihre Verluste aus Großereignissen, wie zum Beispiel durch Naturkatastrophen oder Personenschäden, durch Rückversicherungsverträge eingrenzen. Dasselbe trifft bei Kleinschäden nicht zu.
Somit besteht bei den Versicherern ein großes Interesse möglichst viele Verträge mit Selbstbehalten zu vertreiben, welche jedoch auf eine relativ geringe Nachfrage bei den Kunden treffen. Diese Situation können sich die Versicherungsvermittler in ihren Vertriebsaktivitäten zunutze machen, wenn sie die besonderen Vorteile von Selbstbehalten in Gesprächen mit den Kunden thematisieren und ihnen bewusst machen.
Dafür müssten die Versicherungsvermittler zunächst ihre eigenen Vorbehalte gegenüber Selbstbeteiligung überwinden. Viele Kollegen sehen nämlich, aus den Erfahrungen in Vergangenheit, in den Tarifen mit Selbstbeteiligung ein verdecktes Konfliktpotential, das sich immer dann entfaltet, wenn im Schadenfall die Entschädigungsleistung an den Versicherungsnehmer gekürzt wird. In der heutigen Marktsituation der hohen Preissensibilität und Informationsstandes kann man den Kunden jedoch durchaus viel größere Versiertheit im Umgang mit wirtschaftlichen Finessen zutrauen, zu denen auch die Selbstbeteiligung in Versicherungsverträgen gehört. Fakt ist – die Direktversicherer haben es längst erkannt. Zahlreiche „nur-wenige-Klicks“-Produkte aus dem Internet werden automatisch mit Selbstbeteiligungen versehen um deren preisliche Attraktivität zu erhöhen. Das setzt den klassischen Versicherungsvermittler, der keine Selbstbeteiligungen empfiehlt, zusätzlich unter Druck.
Bei einigen Versicherungsprodukten können sich unterschiedliche Selbstbehaltsmodelle besonders vorteilhaft für den Kunden auswirken. Zum Beispiel in der privaten Krankenversicherung. Hier sind meist jährliche Beitragsrückerstattungen vorgesehen, wenn der Kunde keine Leistungen des Versicherers in Anspruch genommen hat. Somit ist der Kunde grundsätzlich interessiert die geringfügigen ärztlichen Behandlungen selbst zu bezahlen und die Rechnungen erst nicht an die Versicherungsgesellschaft heranzutragen. Eine moderate vertragliche Selbstbeteiligung taxiert diese freiwillige Selbstleistung und bringt die spürbare zusätzliche Beitragsersparnis zusätzlich.
Auch in der Rechtsschutzversicherung kann sie Selbstbeteiligung von großem finanziellem Vorteil für den Kunden sein. Die einschlägige Statistik besagt – ein Bundesbürger gerät alle vier Jahre in eine juristische Auseinandersetzung, als der Anspruchsteller, Beschuldigter oder Zeuge. Eine vereinbarte Selbstbeteiligung von 150 EUR bringt eine jährliche Ersparnis von durchschnittlich 100 EUR bei einem Jahresbeitrag von ca. 400 EUR in einem Rechtsschutzversicherungsvertrag (vier Bausteine, Familiendeckung). Somit spart der Kunde einen kompletten Jahresbeitrag (4 Jahre x 100 EUR Ersparnis), bevor er 150 EUR Selbstbeteiligung in einem möglichen Versicherungsfall wieder ausgeben müsste.
Die Wohngebäudeversicherung birgt ebenfalls ein großes Sparpotenzial durch die Selbstbeteiligung für den Kunden. Hier gilt es dem Kunden nur die Relation zwischen dem Selbstbeteiligungsbetrag und einem versicherten Schaden vor Augen zu führen. Im Versicherungsfall sind meist hohe Summen auf der Rechnung. Bei einem abgedeckten Dach spielt eine Selbstbeteiligung von zum Beispiel 300 EUR kaum eine große Rolle und kann ggf. durch handwerkliche Eigenleistung des Versicherungsnehmers mühelos ausgeglichen werden. Bleibt der Vertrag hingegen schadenfrei, so spart der Kunde durch die Selbstbeteiligung von Jahr zu Jahr mehrere Hundert Euro.
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